Grundlagen E-Government

Die Nutzung moderner Technologien und die digitale Abwicklung von Prozessen sind in der öffentlichen Verwaltung unmittelbar mit dem Begriff E-Government verbunden. Nach der Definition der Hochschule für öffentliche Verwaltung in Speyer aus dem Jahr 2000 ist unter E-Government die Abwicklung geschäftlicher Prozesse im Zusammenhang mit Regieren und Verwalten (Government) mit Hilfe von Informations- und Kommunikationstechniken über elektronische Medien zu verstehen. Bei dieser Definition sind Behörden aller Ebenen  und aller Bereiche der Gewaltenteilung eingeschlossen. Das E-Government wird unterschieden in geschäftliche Prozesse innerhalb des öffentlichen Sektors (G2G),  zwischen dem öffentlichen Sektor und Bürgern (G2C bzw. C2G), zwischen diesem und der Wirtschaft (G2B bzw. B2G) sowie zwischen dem öffentlichen Sektor und non-profit Organisationen bzw. Organisationen des Dritten Sektors (G2N bzw. N2G) (Lucke J., Reinermann H. 2000:1).

Dieses Verständnis von E-Government wird durch die Definition der Europäischen Kommission fortgeschrieben. Diese ergänzt die Definition von E-Government um die Realisierung von organisatorischen Änderungen und die Herausbildung neuer Fähigkeiten der Organisation mit dem Ziel, öffentliche Dienste, demokratische Prozesse und die Gestaltung und Durchführung staatlicher Politik zu verbessern. Nach diesem Verständnis stehen nicht nur die Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologien im Mittelpunkt von E-Government, sondern auch die Verbesserungen der organisatorischen Abläufe bzw. Prozesse und die Leistungen für die Kunden (Kommission der Europäischen Gemeinschaft 2003: 4).

Die Autoren Brücher und Gisler teilen E-Government-Angebote in die Stufen Information, Kommunikation und Transaktion ein (Brücher, Gisler 2002: 10). Die Stufe Information ermöglicht es online Informationen abzurufen. Der Informationsfluss erfolgt dabei nur in die Richtung von der Verwaltung zu dem Kunden. Bei dem Geschäftsprozess „Vermietung eines Gemeinschafsraumes“ könnte ein Angebot der Stufe Information beispielsweise die Bereitstellung von Informationen über die Tagesmiete oder ein Kalender mit freien Terminen auf einer Internetseite sein. In der Stufe Kommunikation kann bereits ein Austausch von Informationen zwischen Behörde und Kunden stattfinden. In dieser Stufe könnte z.B. neben den Informationen über den Gemeinschaftsraum ein Formularfeld zur Eingabe einer Mietanfrage durch den Bürger und die Übermittlung der Anfrage an die Verwaltung auf einer Internetseite bereitgestellt werden. Die Bearbeitung und Beantwortung der Anfrage würde dann unabhängig von der elektronischen Anfrage,  z.B. schriftlich oder telefonisch erfolgen. In der dritten Stufe, der Transaktion, umfasst das E-Government-Angebot sämtliche Prozesse, die zur abschließenden Erbringung der Leistung erforderlich sind. In dieser Umsetzungsstufe könnte der Bürger die Buchung des Gemeinschaftsraumes abschließend über ein Onlinesystem durchführen.

Im August 2013 ist das Bundesgesetz zur Förderung der elektronischen Verwaltung (EGovG) in Kraft getreten. Mit dieser gesetzlichen Regelung und der Änderung weiterer gesetzlicher Bestimmungen (u.a. Personalausweisgesetz, Aufenthaltsgesetz, De-Mail-Gesetz, Gesetz zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten), ist das Ziel verbunden, E-Government in Deutschland zu fördern und Rechtssicherheit herzustellen. Das EGovG enthält beispielsweise die Pflicht zur Einführung einer elektronischen Akte (§ 6 EGovG) und verpflichtet die Behörden des Bundes, Verwaltungsabläufe vor der Digitalisierung unter Nutzung gängiger Methoden zu dokumentieren, zu analysieren und zu optimieren (§ 9 EGovG). An dieser Stelle des Gesetzes sind Ansätze der Geschäftsprozessoptimierung gesetzlich verankert (vgl. Kapitel II.1.6). Das Gesetz gilt für Behörden des Bundes einschließlich der bundesunmittelbaren Körperschaften, Anstalten und Stiftungen (§ 1 EGovG). Für Kommunen gilt das Gesetz nur dann, wenn sie Aufgaben durchführen, die sich auf Bundesrecht stützen und die Anwendung des EGovG durch Landesrecht angeordnet ist (§ 3 Abs. 3 EGovG). In den Bundesländern Baden-Württemberg, Bayern und Sachsen wurde ein solches Landesgesetz bereits verabschiedet (IT-Planungsrat 2015).

In Rheinland-Pfalz ist das Gesetzgebungsverfahren für ein Landes-E-Government-Gesetz eingeleitet. Die Verabschiedung durch den Landtag ist für 2017 geplant. Das aktuelle Eckpunktepapier des Entwurfs eines Rheinland-Pfälzischen E-Government-Gesetzes vom 15. März 2015 entspricht im Wesentlichen den Bestimmungen des Bundesgesetzes, trägt jedoch in Bezug auf die Kommunen den Charakter eines Ermöglichungsgesetztes. Die Verpflichtungen für Kommunen werden auf das Notwendigste beschränkt. Die Kommunen werden im Gegensatz zu Landesbehörden nicht explizit zur Einführung einer elektronischen Akte und zur Optimierung und Digitalisierung von Verwaltungsvorgängen verpflichtet (Ministerium des Innern, für Sport und Infrastruktur RLP, 2015: 5 und 10).

Da für Kommunen wesentliche E-Government-Bausteine nicht verpflichtend sind, kann mit einer langsameren Umsetzung von Digitalisierungsvorhaben als in Bundes- und Landesbehörden gerechnet werden. Die Befreiung von der Umsetzungspflicht ist auf das Konnexitätsprinzip zurückzuführen. Nach diesem Prinzip müssen Bundesländer die Kosten für Verpflichtungen tragen, die sie gegenüber den Kommunen anordnen (Artikel 49  Abs. 5 Verfassung Rheinland-Pfalz).

Die Studie „E-Government in Deutschland – Eine Bürgerperspektive“ beleuchtet das E-Government-Angebot in deutschen Kommunen. Dabei bezieht sich die Studie jedoch nur auf die Großstädte  Berlin, Bonn, Düsseldorf, Frankfurt, Gladbeck, Gummersbach, Hamburg,  Nürnberg, München und Stuttgart. Bei der Erhebung werden die E-Government-Angebote in E-Information, E-Interaktion und E-Abwicklung unterschieden. Gemäß der Definition in Kapitel II.2.1 entspricht dies den E-Government-Stufen Information, Kommunikation und Transaktion. In der Studie wird festgestellt, dass Informationsangebote bei fast allen Befragten zum Standard gehören und stark ausgeprägt sind, jedoch nur wenige Kommunen auch Angebote im Bereich der Interaktion und Transaktion vorhalten. Ausschließlich in den Großstädten Berlin, Düsseldorf  und Hamburg konnte zumindest ein mäßiges Angebot im Bereich der Interaktion und Transaktion festgestellt werden (McKinsey & Company 2015: 10).

 

Erfolgsfaktoren und Entwicklung einer E-Government-Strategie
Im Rahmen einer E-Government-Strategie gilt es, verschiedene Maßnahmen bezüglich der Digitalisierung von Geschäftsprozessen systematisch zu planen. Im Folgenden werden die wichtigsten Erfolgsfaktoren dargestellt, aus denen eine E-Government-Strategie entwickelt werden kann.
E-Government-Angebote für Bürger, Unternehmen und Non-Profit-Unternehmen verschmelzen immer mehr mit verwaltungsinternen Geschäftsprozessen. Es ist daher erforderlich, dass die E-Government-Strategie Geschäftsprozesse für interne und externe Kunden umfasst.

Die Strategie sollte eine Aussage über die gewünschte Stufe der E-Government-Angebote (Information, Kommunikation, Transaktion) treffen. Die größten Effekte werden mit der Realisierung von E-Government-Angeboten der Stufe Transaktion erzielt, da hierbei interne und externe Kunden ihr Anliegen vollständig über das E-Government-Angebot abwickeln können. Befragungen zeigen, dass  Bürger hier den größten Bedarf sehen (vgl. Kapitel II.2.4). Daneben ermöglichen E-Government-Angebote dieser Stufe den höchsten Grad  einer (teil)automatisierten Bearbeitung, durch die ca. 33 % der Bearbeitungskosten eingespart werden können  (Fromm, Welzel, Nentwig, Weber 2015: 21).

E-Government-Angebote der Stufe Transaktion basieren auf Workflows, die durch IT-Systeme ausgeführt werden. Workflows basieren auf einer geschäftsprozessorientierten Arbeitsweise. Die E-Government-Strategie sollte daher eine geschäftsprozessorientierte Verwaltungsorganisation mit einheitlichen Modellierungsstandards zum Ziel haben. Besonders effizient ist die Nutzung eines Modellierungsstandards, der in ausführbare Workflows übersetzt werden kann.

Die Strategie sollte eine Aussage darüber treffen, ob und mit welcher Priorität bestimmte Geschäftsprozesse digitalisiert werden sollen. Es sind daher Merkmale zur Klassifizierung der Geschäftsprozesse nach deren Relevanz für eine Digitalisierung festzulegen. Analog der Empfehlungen der KGSt wird eine Bewertung nach der Ressourcenbindung in der Verwaltung und dem Bedürfnis der Kunden empfohlen. Die Strategie sollte auch die Festlegung eines Zeitplans für die Umsetzung fordern.

Vor der Einleitung von Digitalisierungsmaßnahmen sollten die vorhandenen Prozesse im Rahmen einer Geschäftsprozessoptimierung auf deren Effektivität und Effizienz zur Erfüllung der Kundenanforderungen überprüft und ggf. angepasst werden. Neben der kontinuierlichen Geschäftsprozessverbesserung kann bei Digitalisierungsvorhaben auch eine Prozesserneuerung in Frage kommen, da sich durch die digitale Bearbeitung die Rahmenbedingungen grundlegend ändern.

Die Digitalisierung von Prozessen erfordert einen hohen initialen Aufwand für die Bereitstellung der technischen Lösungen. In der Strategie sollten daher Maßnahmen festgehalten werden, um den Aufwand möglichst gering zu halten. Neben der systematischen Auswahl und der Optimierung von Geschäftsprozessen liegt ein hohes Potenzial in der interkommunalen Zusammenarbeit sowie der Nutzung von gemeinsamen technischen Lösungen. Dies wird dadurch begünstigt, dass Kommunalverwaltungen trotz einer individuellen Organisation im Bereich der besonders geschäftsrelevanten Aufgaben zum überwiegenden Teil die gleichen Leistungen anbieten.

Darüber hinaus sollte die E-Government-Strategie eine kontinuierliche Stärken-/ Schwächenanalyse der vorhandenen E-Government-Angebote bezüglich der Nutzerorientierung beinhalten. Die kritische Hinterfragung der eigenen Schwächen kann besonders hilfreiche Informationen für die Weiterentwicklung liefern. Dabei kann die Methode des Best Practice angewendet werden. Mit der Leitfrage „Was kann man von den Besten lernen?“ kann die eigene Strategie um besonders erfolgreiche Aspekte anderer ergänzt werden. Der Fokus muss darauf liegen, dass durch die E-Government-Angebote ein Mehrwert für die Kunden generiert wird und diese gegenüber der analogen Verarbeitung mit Vorteilen für die Kunden verbunden ist (Normenkontrollrat 2016: 10).

Daneben sollte die Strategie im Sinn der kontinuierlichen Geschäftsprozessoptimierung eine regelmäßige Kundenbefragung umfassen. Durch Interviews oder standardisierte Onlinebefragung können die Erwartungen der Kunden an die E-Government-Angebote in Erfahrung gebracht und Verbesserungsmaßnahmen abgeleitet werden (Wirtz 2015: 22).

Abschließend ist anzuführen, dass die Strategie Maßnahmen zur Kommunikation umfassen sollte. Hierbei sind geeignete Formen der internen Kommunikation an die Mitarbeiter sowie für die Öffentlichkeitsarbeit festzulegen. Neben Veröffentlichungen in der Presse können werbende Aktivitäten in sozialen Netzwerken förderlich sein. Bei der Bekanntmachung der Angebote sollte der Mehrwert für die Kunden im Fokus stehen. Die mangelnde Bekanntheit vieler E-Government-Angebote wird derzeit als wesentliche Hürde gesehen (BMWI 2015: 3, Initiative D21 2015: 8).

Ermittlung relevanter Geschäftsprozesse
Die Ermittlung von Geschäftsprozessen, welche für eine Digitalisierung in Frage kommen, kann in mehreren Stufen erfolgen. Ausgangspunkt ist immer das für den Kunden des Geschäftsprozesses erkennbare Ergebnis. Für einen Mitarbeiter als internen Kunden könnte dies z.B. die Genehmigung eines Urlaubstages sein (bei angenommenen 90 Mitarbeitern und 6 Urlaubsanträgen je Mitarbeiter wären dies 540 Einzelvorgänge pro Jahr). Für Bürger als externe Kunden könnte das Ergebnis eines Geschäftsprozesses beispielsweise der Erhalt einer Sondergenehmigung für ein Feuerwerk bei einer Hochzeit sein (bei angenommenen 100 Eheschließungen/ Jahr und  einem Anteil von 10 % der Hochzeitsfeiern mit Feuerwerk wären dies 10 Einzelvorgänge pro Jahr).Bevor Maßnahmen zur Digitalisierung ergriffen werden, sollte die Relevanz der Geschäftsprozesse im Rahmen der von der Organisation verfolgten Strategie geprüft und danach eine Klassifizierung vorgenommen werden. Für eine Klassifizierung der Geschäftsprozesse nach deren Priorität zur Digitalisierung kann  z.B. eine Portfolio-Analyse oder ABC-Analyse zum Einsatz kommen. Die Bewertungskriterien hierzu, die im Optimalfall von einer Gesamtstrategie der Organisation abgeleitet werden, können unterschiedliche Prioritäten für die Umsetzung von Digitalisierungsvorhaben zur Folge haben. Wird beispielsweise der Ausbau von Online-Antragsverfahren für Bürger als Maßstab genommen, wäre der Digitalisierung der Beantragung von Feuerwerken eine höhere Priorität einzuräumen als der elektronischen Beantragung von Urlaubstagen. Ist der Bewertungsmaßstab für die Priorisierung die Senkung von Personalkosten bei der Bearbeitung von internen Geschäftsprozessen, wäre die elektronische Urlaubsbeantragung mit einer höheren Priorität zu versehen, da dieses Verfahren im Vergleich zur Feuerwerksgenehmigung deutlich mehr Bearbeitungsfälle pro Jahr aufweist und damit ein höheres Einsparpotenzial aufweist.Die KGSt hat in Zusammenarbeit mit sechs Kommunen den Bericht „Effizientes E-Government“ erstellt. In einer zweijährigen Studie wurde ermittelt, bei welchen typischen Prozessen einer Kommunalverwaltung eine Digitalisierung vorteilhaft ist. Die Eingrenzung zur Digitalisierung geeigneter Geschäftsprozesse ist mittels der ABC-Analyse erfolgt. Das Potenzial zur Digitalisierung von Geschäftsprozessen wurde nach ihrer „E-Government-Würdigkeit“ und „E-Government-Fähigkeit“ bewertet. Die „E-Government-Würdigkeit“ bestimmt sich nach der Ressourcenbindung der Geschäftsprozesse in der Organisation anhand der jährlichen Fallzahlen, der Bearbeitungszeit und der Prozessbeteiligten. Die „E-Government-Fähigkeit“ wird nach dem Bedarf der internen und externen Kunden sowie der Einordnung, ob eine Digitalisierung technisch bzw. rechtlich möglich ist, bewertet.

Durch eine ABC-Analyse können die Geschäftsprozesse in folgende Kategorien eingeteilt werden:

  • Geschäftsprozesse mit großem  E-Government-Potenzial (A)
  • Geschäftsprozesse mit mittlerem E-Government-Potenzial (B)
  • Geschäftsprozesse mit geringem E-Government-Potenzial (C)
Geschäftsprozesse mit großem Potenzial sollten mit hoher Priorität realisiert werden, da diese die größten Auswirkungen aufweisen.
Die Studie stellt fest, dass in Kommunen etwa 18 % der Geschäftsprozesse 80 % der Personalressourcen binden. Diese 18 % der Geschäftsprozesse werden als besonders geschäftsrelevant und damit E-Government-würdig bezeichnet (KGSt 2011: 59). Diese Geschäftsprozesse werden überwiegend von allen Teilnehmern angeboten. Dem Ergebnis zufolge liegen diese Geschäftsprozesse größtenteils (61 %) im Aufgabenbereich der Pflichtaufgaben von Kommunen. Unter Berücksichtigung von deren E-Government-Fähigkeit ergibt sich eine Priorisierung  zur Umsetzung von Digitalisierungsvorhaben nach folgenden Bereichen:
  1. Soziales, Jugend und Familie
  2. Sicherheit und Ordnung
  3. Innere Verwaltung
  4. Umwelt und Bauen
  5. Schule und Bildung
  6. Gesundheit (KGSt 2011: 89)

Aus dem Ergebnis kann ein großes Potenzial zur Digitalisierung von Geschäftsprozessen aus dem Aufgabenbereich der Pflichtaufgaben der Kommunalverwaltung und der inneren Aufgaben abgeleitet werden. Darüber hinaus besteht aufgrund der festgestellten Ähnlichkeit der angebotenen Leistungen ein großes Potenzial zur interkommunalen Zusammenarbeit bei Digitalisierungsvorhaben im Bereich der Pflichtaufgaben.

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